Horst Radtke

Budodrummer

Im Probenraum Im Probenraum

Wie alles begann ...

„Ich lerne nicht Schlagzeug, um Musik zu machen!“

 

Bei dieser Aussage zog mein erster Schlagzeug-Mentor und Musikerfreund Matthias erstmal Luft und es kräuselten sich ihm vermutlich die Nackenhaare. 
SO WHAT?

 

Natürlich mussten wir beide darüber lachen, denn diese Aussage steht ja im Kontext einer Vorgeschichte. Also, erst mal zum Anfang zurück.

Mit Geburtsjahr 1954 waren meine pubertären Sturm- und Drangzeiten die ausgehenden 60er und beginnenden 70er Jahre. Es herrschte die Hippie- und Gammler-Bewegung, wobei ich mich eher zu letzterer hingezogen fühlte: jugendliche Abweichler von der sozialen Norm mit langen Haaren sowie Jeans und Parka.
In dieser Zeit war es natürlich ebenso cool, Gitarre zu spielen. Infolgedessen lernte ich autodidaktisch sowie durch Freunde ein wenig auf einer Akustikgitarre mit Nylonsaiten zu Liedern wie „This Land Is Your Land“ oder „House Of The Rising Sun“ etc. „herumzuklimpern“.
Lange Jahre später, nachdem sie ein einsames „Eckendasein“ fristete, holte ich sie Ende der 80er wieder hervor und stellte erneut fest, dass bei mir das rhythmische Schlagen eher ein „Schrumm-schrumm“ als ein Rhythmus ist.
Das Picking lag mir da eher und so "pickte" ich zu Hause für mich allein mit entsprechenden Song-Büchern. Das erweckte ebenso mein Interesse am klassischen Gitarrenspiel. Mein fehlendes Vermögen Noten zu lesen, überbrückte ich durch Tabulatur-Bücher. 

Zu meinen schönen Erinnerungen zählt noch heute, dass ich mich manchmal sonntagmorgens im Wohnzimmer auf einen Stuhl sowie Fußbänkchen (die klassische Gitarre wird anders gehalten) setzte, eine gute Tasse Kaffee dazu trank und für mich ein kleines „Matinee“ aus Liedern vom Mittelalter, bis Renaissance spielte.
Aber wie das Leben halt so spielt, ging auch irgendwann diese Zeit vorüber und die Gitarre stand wieder in der Ecke.

Als ich vor einigen Jahren 60 wurde, machte ich bereits über 40 Jahre intensiv Kampfsport als Wettkämpfer, Trainer sowie Funktionär in verschiedenen Disziplinen bzw. Stilen. Im Sport generell und insbesondere im Kampfsport muss man unterschiedliche Bewegungen schnell umsetzen können. Betreibt man diesen Sport sehr lange und intensiv, eignet man sich im Laufe der Zeit zwangsläufig eine große Bibliothek motorischer Kombinationen und Verknüpfungsmuster an. Dabei ähneln sich allerdings auch etliche, obwohl sie für den Laien unterschiedlich aussehen. Kurzum: Man ist leichter in der Lage gesehene Bewegungen nachzuempfinden und innerlich Verknüpfungen zu kopieren. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass man sie dann beherrscht. Aber der Reiz grundsätzlich neuer Anforderung hält sich in Grenzen. Bei allem Respekt sollte man ab einem gewissen Alter auch einsehen, dass für Leistungssport bzw. Akrobatik der Zenit mittlerweile ein wenig überschritten ist. Kurzum: Ich suchte zu diesem Zeitpunkt neue motorische Herausforderungen.

Schließlich fragte ich mich, warum ich das nicht auch in der Musik suchen könne, und so kam Klavier/Keyboard oder Schlagzeug in die meine Auswahl. Bei beiden war mir deutlich, dass die Gehirnhälften miteinander verknüpft werden müssen, sonst weiß nämlich die rechte Hand nicht was die linke tut.

 

In dieser Phase traf ich auf Matthias, einem Schlagzeuger mit jahrzehntelanger Erfahrung der selbst in den Niederlanden bei Huub Janssen, dem Schlagzeuger der "Dutch Swing College Band" gelernt hatte. Ich erzählte Matthias von meinem Vorhaben und er riet mir, das Schlagzeug zu wählen, weil dabei 6 Ebenen verknüpft werden müssen.
DAS war mein Ding! 

 

Aufgrund meiner jahrelangen Trainererfahrung habe ich allerdings die Neigung, neue Lernaspekte zunächst strukturiert, zielstufengeplant und somit kognitiv und weniger intuitiv anzugehen. Nach dem Motto: Erst Kopf (verstehen), dann Magen („gefressen“) und schließlich Herz (Intuition).

Was das rhythmische Schlagzeugspiel betrifft, habe ich deshalb von Matthias öfters „Du musst den Verstand rauslassen und der Musik folgen.“ gehört. Weil ich aber in erster Linie meine Koordinationsfähigkeiten auf der Basis rhythmischer Kombinationen schulen wollte, entstand die Antwort:

 

 „Ich lerne aber nicht Schlagzeug, um Musik zu machen!“

Natürlich wollte ich irgendwann mal Musik machen, schließlich hatte ich ja zuvor schon Gitarre gespielt (wenn auch nicht so intensiv). Aber das Intuitive war für mich zum damaligen Zeitpunkt äußerst weit entfernt. Ich war schon froh, anfangs den Backbeat bei "sagenhaften" 100bpm und den Single-Paradiddle (re-li-re-re / li-re-li-li) als 8tel konstant und flüssig über mehrere Takte hinzubekommen. Halt so das Typische für Anfänger. Dennoch fühlte ich, endlich zu meinem Instrument und neue Ziele gefunden zu haben. 

Nun, so kam ich erst als "Spätberufener" zum Schlagzeug. 

Vielleicht hat es mich auch unterbewusst dahingeführt,
weil ich als Kampfsportler bei diesem Instrument
immer noch Treten und Schlagen kann. :-))

Wie es weiterging, erzähle ich in einer anderen Geschichte.

 

 


 
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